Wie sehen Sie das?

Das Steuerrecht muss immer auf Lebenssachverhalte angewandt werden, und diese werden nun immer komplexer. Nur ein Beispiel: in der Landwirtschaft unterliegt die Dienstleistung eines pauschalierenden Landwirts an einen anderen Landwirt, für dessen landwirtschaftlichen Betrieb dem Umsatzsteuersatz von 10,7 %. Irgendwann kam für Dienstleistungen an Nichtlandwirte eine andere Beurteilung auf, diese unterliegen nun in der Regel dem Umsatzsteuersatz von 19%. Fortan mussten wir uns in der Praxis also mit der Frage beschäftigen, wie solche Sachverhalte voneinander abzugrenzen sind und wie sie dann zu besteuern sind.
Es ist übrigens ein Trugschluss zu glauben, in anderen Ländern, insbesondere in anderen Industriestaaten, sei das Steuerrecht weniger kompliziert. Zugegebenermaßen könnte der Hang zur Perfektion und zur Einzelfallgerechtigkeit im deutschen Steuerrecht etwas geringer ausfallen.
Einzelfallgerechtigkeit, das Streben nach dem Ziel der sozialer Gerechtigkeit mittels Steuerrecht und ein immer komplexer werdendes Leben machen das Steuerrecht extrem kompliziert.

Sind Vereinfachungen der Steuerrechts realistisch denkbar?

Was für ein Mut, was für eine Begeisterung! Als ein Schattenfinanzminister der Union eine radikal vereinfachte Einkommensteuer, mit drei Stufen und ohne die vielen Werbungskosten- und Abschreibungsmöglichkeiten fordert. Doch halt! Das geschah im Jahr 2005, damals hieß der CDU-Kandidat für den Posten des Bundesfinanzministers Paul Kirchhof, der „Professor aus Heidelberg“ (wie ihn Gerhard Schröder abschätzig nannte), der dann am Wahlabend des 18. September 2005 leider ebenso schnell wie sein Steuerkonzept verschwand.